Unser Imperativ
Es heisst, die Juden würden nicht nach dem Pentateuch (Fünfbuch Moses) leben, sondern nach dem Babylonischen Talmud („Bavli“). Das kann ein Aussenstehender kaum richtig beurteilen. Mein Kommentar: Die Stossrichtung stimmt, doch die Praxis ist komplizierter. Der „Bavli“ umfasst 5458 Folioseiten, die „trotz der scheinbaren Systematik des logischen Aufbaus [entbehren] … Sprache und Sinn sind häufig selbst den Eingeweihten unverständlich … Umso schwieriger ist es, dem Uneingeweihten einen Einblick in dieses Werk zu ermöglichen“ [Fromer 758f]. Deshalb hat Josef Karo (1488-1575) daraus ein halachitisches Kompendium „Schulchan Aruch“ („Der gedeckte Tisch“) zusammengestellt – den bis heute gültigen halachitischen Kodex. Doch selbst dieser Auszug aus dem Bavli ist so umfangreich, dass Schelomo Ganzfried (1804-1886) daraus den „Kizzur Schulchan Aruch“ extrahierte (= Abkürzung), der nur in hebräischer Schrift etwa 550 Seiten umfasst und diejenigen Teile übernommen hat, die dem täglichen Leben am nächsten stehen. In der Ausgabe mit deutscher Übersetzung findet sich folgender als Imperativ (als Adjektiv: zwingend, bindend, anweisungsartig) herausgestellter hebräischer Schlusssatz [Ganzfried II 1131], den ich für das Tikkun-Portal „Lebensrat“ als Imperativ übernommen habe:
Baruch há-nothén lá-ja’éf koách
we’azmah járbeh le’én onim
„Gelobt sei, der dem Müden Kraft gibt,
und das Können mehrt dem Schwachen!“
Dass dieses Gebot es wert ist, an höchster Stelle zu stehen, belegt die Präambel zur schweizerischen Bundesverfassung [1]. Diese wurde 1977 erweitert durch einen Zusatz, der auf den helvetischen Schriftsteller Adolf Muschg (* 1934) zurückgeht: „… und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen“ – was dem Ganzfried-Zitat sehr nahe kommt. [2] Ich lebe als Deutscher (* 1942) seit nunmehr 48 Jahren in der Schweiz und habe als aufmerksamer Schriftsteller und Zeitgenosse die seitherige Entwicklung gut und neutral beobachtet. Auf den Punkt gebracht stelle ich fest, dass in der Schweiz mit dem „Wohl der Schwachen“ nicht die einheimische Bevölkerung gemeint ist, sondern die Horden von Asylanten aus aller Welt, die der heimischen Armut entfliehen und es sich hier als Sozialhilfe-Empfänger sehr gut gehen lassen.
Ich aber übernehme das Gebot als Auftrag voll und ganz ohne jeden Hintergedanken, doch betrifft diese Aufgabe in erster Linie die autochthonen deutschsprachigen Mittellosen in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich, die es bitter nötig haben:
„Gelobt sei, der dem Müden Kraft gibt,
und das Können mehrt dem Schwachen!“
Wenn es der Staat nicht richtet und die Sozialen Medien wie Facebook und Twitter es auch nicht hinkriegen, muss die Initiative von einer anderen Seite ausgehen – von meiner.
Literaturverzeichnis: Fromer, Jakob, (Übersetzung und Kommentar), „Der babylonische Talmud“, Reprint der Ausgabe von 1924, 2. Auflage, Wiesbaden 1988 – Ganzfried, Rabbi Schelomo, „Kizzur Schulchan Aruch“, 2 Bände, Basel 1988
[1] Wikipedia zur schweizerischen Bundesverfassung: „Die Präambel soll die grundlegenden Werte und Leitvorstellungen der staatlichen Gemeinschaft und damit in konzentrierter Form den ‚Geist der Verfassung’ wiedergeben.“
[2] M. E. hat Muschg hier eine unverbuchte Anleihe (= Plagiat) bei Ganzfried vorgenommen.