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"Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin"


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Erstellt: 07.08.2008 • Stand: 21.08.2008 • Autor: Dirk Schröder

"Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin"

Im NZZ Folio 07/2008 ("Dubai") wird dem Dichter Bert Brecht ("begnadetes Scheusal") ein Kränzlein gewunden, denn er habe "in der deutschen Sprache und für sie Grosses geleistet". Dies besonders "in der gemeisselten Einfachheit, die er an Luther schulte". Als Beispiel für diese "gemeisselte Einfachheit" wird der im Titel zitierte Brecht-Satz aufgeführt, der besonders 1968 in Deutschland sehr populär war, als das "Establishment" angeblich besiegt wurde.

Gemeisselte Einfachheit? Eher wohl raffiniert kaschierter Zynismus eines Besserwissenden und Pilpul-Experten gegenüber dem deutschen Volk. Denn wenn ein Deutscher im Zweiten Weltkrieg den Einberufungsbefehl missachtete, wurde er ohne Prozess wegen Kriegsdienstverweigerung standrechtlich erschossen. Das machte bei den anderen einen tiefen Eindruck. Brecht blieb dieses Schicksal erspart, da er einen Weg fand, um "nicht hin zu gehen": Er emigrierte als Jude bereits 1933 aus Deutschland und kehrte erst 1947 nach Europa (Schweiz) zurück.

Und wie verhalten sich die US-Amerikaner bei den vielen widerrechtlichen "Verteidigungskriegen" ihres Vaterlandes in souveränen Staaten wie Afghanistan und Irak? Gehen wenigstens sie, Bürger des freiheitlichsten Staates der Welt, nicht hin, wenn solch ein völkerrechtswidrigen Angriffs-Krieg ist? In der NZZ vom 16.7.2008 war zu lesen: "Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und seinerzeit Wirtschaftsberater von Bill Clinton, ... [hatte] vor zwei Jahren ... einen wissenschaftlichen Artikel über die Kosten des Krieges im Irak präsentiert. Bush reagierte darauf mit der Bemerkung, dass Verteidigungspolitik nicht von erbsenzählenden Buchhaltern bestimmt werden dürfe." Nun legt Stiglitz in dem Buch *Die wahren Kosten des Krieges" (München 2008) eine "vorläufige Kostenaufstellung für den 2003 losgetretenen Irak-Krieg vor: 3 Billionen Dollar ... Die US-Regierung hatte die Kriegskosten zu Beginn mit 50 Milliarden Dollar veranschlagt." Mein Kommentar: Eine kurze buchhalterische Rechnung ergibt 3'000 Mrd. zu 50 Mrd. Erbsen, also das 60-fache! Darin enthalten ist nicht nur totes Kriegsmaterial, sondern auch lebendiges, oftmals spöttisch als "Kanonenfutter" bezeichnet, hier die US-Soldaten. Sie wurden aus der Masse der Arbeitslosen, Unzufriedenen und Überschuldeten rekrutiert mit hohen monetären Zusagen - wie weiland bei den christlichen Kreuzzügen. Plötzlich war für die Betroffenen eine Perspektive "für später" da, für die Zeit "danach". Viele aber kehrten im Sarg zurück oder als psychologisches Wrack oder ohne Beine und so weiter. Die Macht des Geldes war hier so stark wie ein Gestellungsbefehl im Dritten Reich, das Terrain im US-Volk trefflich dafür vorbereitet.

Morgen, am 08.08.08 um 08.08 pm, fängt in Peking die 29. Sommerolympiade an, die 17 Tage dauert. Sport ist eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, wobei es wie im Islam um den "Djihad aghar", den kleinen Krieg, die Gewaltanwendung gegen Feinde, geht und um den "Djihad akbar", den grossen Krieg, der im Inneren des Individuums ausgetragen wird: "Sport ist Mord" (Winston Churchill). Auf die Olympiade in China übertragen liest sich das so: China hatte die Kosten für die Sommerolympiade in seinem Bewerbungsdossier mit 1,6 Milliarden Dollar veranschlagt. Statt dessen aber "soll China fast unglaubliche 65 Milliarden Dollar für das Gelingen der Spiele ausgegeben haben." Damit ist das Budget für die Spiele um das Vierzigfache überzogen worden. (Gratiszeitung NEWS 2.7.2008). Mit dem Geld wurden nicht nur die überrissenen Prachtbauten westlicher Stararchitekten finanziert, sondern auch die Sportler-Krieger Chinas, die es nun der Welt zeigen sollen. Und wenn sie es der Welt dann tatsächlich zeigen sollten, werden sie dafür geadelt und vergoldet. Geld spielt keine Rolle, da China hierfür keine Schulden macht wie die USA mit ihren Verteidigungskriegen, sondern in die prallvolle Kasse greifen kann, was dort kaum Spuren hinterlässt.

Medaillenspiegel Athen 2004
 R  Land Gold Silber Bronze
1. USA 35 39 29
2. China 32 17 14
3. Russland 27 27 38
4. Australien 17 16 16
5. Japan 16 9 12
6. Deutschland 13 16 20
46. Schweiz 1 1 3


Der im Auszug abgebildete "Medaillenspiegel Athen 2004" (NZZ 8.8.2008) zeigt, dass es diesmal in allem Ernst um den generellen Zweikampf "China gegen USA" geht, den China letztlich auch in diesem Bereich gewinnen möchte - und das möglichst "haushoch" (siehe hierzu Rubrik "Sport" mit dem täglich aktualisiertgen Beitrag "Medaillenspiegel 'Peking 2008'").

Das Schlimme daran ist, dass die Spitzensportler, die an der Olympiade teilnehmen, für Ruhm und Ehre ihr Knochenmark und ihre Lymphe opfern, d.h. ihr Immunsystem irreversibel zerstören. Genau so schlimm ist aber auch, dass Millionen von Zuschauern wissen oder zumindest ahnen, dass die Olympiade ein Ersatzkrieg zwischen den Nationen ist - und trotzdem hingehen. Freiwillig. Der Zusammenhang mit den tödlichen Gladiatorenkämpfen im Alten Rom ist nicht jedem ersichtlich.

Das Schlimme daran ist aber auch, dass es "nach Peking" keine "schönen" Olympiaden mehr geben kann, da China Massstäbe gesetzt hat, die kein anderes Land mehr erfüllen, geschweige denn überbieten kann. Es ist nicht undenkbar, dass dies die letzten Olympischen Spiele waren.

Nachtrag vom 21.8.2008: Das berühmte Brecht-Zitat im Titel, das sich bei genauem Hinsehen in Kriegszeiten für den Normalbürger als unerfüllbar erweist, müsste in Friedenszeiten lauten: "Stell' dir vor, es sind Parlamentswahlen, und keiner geht hin."

 


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