LASTENAUSGLEICH
Wie man bei einer Währungsreform auch ohne
Schulden plötzlich zum Schuldner werden kann
Lieber Herr XXX,
Sie haben mich angefragt, wie es sich mit dem Lastenausgleich bei einer Währungsreform verhält. Prinzipiell gebe ich keine honorarfreien Ratschläge, denn das ist mein Brotberuf. Bei Ihnen als langjährigem und treuem Abonnenten möchte ich indes eine Ausnahme machen.
Ich erkläre Ihnen zunächst, was anlässlich der Währungsreform 1948 in Deutschland geschah, da es etwas Vergleichbares bisher in der Schweiz nicht gab. Der Wert einer Immobilie spielte bei der Frage nicht die geringste Rolle, sondern nur die beim Grundbuchamt im Grundbuch eingetragene Hypothekarschuld, die auch auf dem Hypothekarbrief steht, der bei der Bank hinterlegt war. In Deutschland existiert eine klare Trennung zwischen Schuldrecht und Sachenrecht. Waren im Grundbuch eine Hypothek von 500'000 Reichsmark eingetragen (= Sachenrecht), bei der Bank aber nur noch ein Kredit von 200'000 RM offen (= Schuldrecht), wurde die fiskalische Belastung des Schuldners in jedem Fall sachenrechtlich auf der Basis von 500'000 RM durchgeführt. Waren bei der Bank alle Schulden abbezahlt und der bisherige Schuldner hatte den Hypothekarbrief ausgehändigt bekommen (= Eigentümerschuldbrief), wurde er vom Fiskus ebenfalls mit 500'000 RM belastet, da er sachenrechtlich als Schuldner gegen sich selbst angesehen wurde. Durch die Währungsreform gingen also nicht nur die Bankschulden nicht verloren, sondern im Extremfall wurde jemand, der faktisch schuldenfrei war, in voller Höhe mit der im Grundbuch eingetragenen Hypothek belastet. Diese Schulden an den deutschen Fiskus wurden auf 28 Jahren inklusiv Zins auf fixe Vierteljahresbeträge verrentet und die Schuld wurde nicht in den Passiven bilanziert, sondern unter dem Bilanzstrich ausgewiesen, so dass die Bilanz diesbezüglich schuldenfrei dastand. Das war nicht zuletzt einer der Hauptgründe für den deutschen Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg: Man konnte sich wieder hemmungslos verschulden.
Gegen diese Machenschaften konnte man sich nur schützen, wenn man die im Grundbuch eingetragenen Hypothekarschulden regelmässig auf die niedrigeren Bankschulden anpassen liess. Waren alle Bankschulden getilgt, hätte man also den Eintrag im Grundbuch löschen lassen müssen. Das kostete zwar Notariatsgebühren, aber das waren Peanuts im Verhältnis zu den effektiven Folgen des Lastenausgleichsgesetzes.
Der Lastenausgleich wurde praktiziert, um die deutschen Banken wieder mit Eigenkapital auszustatten, da dieses durch die Währungsreform verloren gegangen war. Eine Parallele zu den gegenwärtigen Finanzspritzen der westlichen Staaten in Milliardenhöhe zugunsten ihrer Banken ist durchaus zu sehen und ist so gesehen als ein Vorbote für umfassende Währungsreformen zu deuten – nur dass die kommende Währungsreform dann nicht nach klassischem Vorbild abläuft, sondern hinsichtlich Banken bereits antizipiert wurde.
Soweit meine Hinweise und Ratschläge. Da diese von allgemeinem Interesse sind, habe ich beschlossen, den Text in meine Homepage zu stellen.
Ich würde mich freuen, wenn diese Zeilen für Sie von Nutzen sind und verbleibe mit den besten Wünschen und Grüssen Ihr Dirk Schröder